heilpädagogisches Förder- und Therapiekonzept
bei Dyskalkulie - Rechenschwäche und Wahrnehmungsstörungen
"Wir müssen alles tun, um das Kind ohne psychischen Schaden, ohne Diskriminierung und schulische Benachteiligung -von der Früherfassung bis zur Nachreifung im Adoleszenzalter- pädagogisch und therapeutisch zu begleiten" (Wolfensberger 1976)
Oft findet eine spontane Nachreifung in der Pubertät und Nachpubertät Zeit statt, in der viele Symptome sich abschwächen.
Wie sich der Betroffene zukünftig weiterentwickelt, hängt von vielen Bedingungsfaktoren ab, wie ich sie im Kapitel Ursachen ausführlich beschrieben habe. Ob und wie letztlich die Lernstörung bewältigt wird, entscheiden nicht nur die Schwere des Störungsbildes, sondern auch die exogenen (umweltbedingt) und autogenen (selbsttätigen) Bedingungen.
Leider passiert oft, dass sich bis dahin durch
dann oft hartnäckige zusätzliche Probleme wie
eingestellt haben.
Im heilpädagogischen Lernstudio hatte ich auch einige Kinder aus der Waldorfschule. Es war auffallend, dass diese Kinder nicht so bedrückt wirkten und ein deutlich besseres Selbstwertgefühl besaßen.
Ich führe das u.a. auf den Epochenunterricht zurück. Im Gegensatz zur Regelschule bekamen sie den Unterricht in Epochen. Also 6 Wochen Schwerpunkt Mathematik, danach war aber etwas anderes dran, wie Sachkunde und Natur, oder Theaterprojekt oder Sprachlehre.
Folge: Während die Kinder der Regelschule täglich mit ihrem Versagen konfrontiert waren, konnten diese Kinder zwischendurch auch mal gänzlich abschalten und in anderen Bereichen glänzen.
Sofern die Betroffenen über ausreichende eigene Möglichkeiten und Ressourcen verfügen ist die Prognose recht günstig.
Ich selber kenne Kinder mit sehr schwerwiegenden Dyskalkulie (bedingt durch sehr gravierende Wahrnehmungsstörungen). Sie sind seit ihrem Schulanfang intensiv gefördert worden.
Inzwischen geht sie (16 Jahre) in die 9. Klasse einer Gesamtschule (Mathe Grundkurs). Sie hat nach Auskunft des Mathematiklehrers ein gutes mathematisches Grundwissen und ist dabei sogar manchen anderen voraus.
Ebenfalls ist sie (und das ist das wichtigste!) in psychischer und sozialer Hinsicht unbeeinträchtigt geblieben. Sie ist weiterhin eine Frohnatur, hat gute Freunde und geht ausgesprochen gern zur Schule.
Sehr positiv für sie war, dass sie nicht nur defizitorientiert gefördert wurde. Da sie sprachlich, musikalisch und sportlich sehr begabt ist, konnte ein guter Ausgleich gefunden werden. Besonders die musikalische Betätigung ermöglicht ihr soziale Anerkennung und bietet ihr eine Insel der Erholung vom Alltagsstress.
Erhebliche Probleme bereiten allerdings zur Zeit immer noch Anforderungen wie Selbstorganisation, zeitliche und räumliche Orientierung, Handlungsplanung, visuelle Vorstellungskraft und die Merkfähigkeit.
Eine andere ehemalige Klientin hat inzwischen sogar ein Studium fast abgeschlossen. Natürlich ist nicht alles „wegtherapierbar“ gewesen. So gab es auch später weiterhin Probleme und den Kampf, sich davon nicht unterkriegen zu lassen.
Wichtig war aber, dass sie immer den Glauben an sich selbst behalten hat und nach dem Besuch der Hauptschule (mehr war wegen den schlechten Mathenoten damals nicht möglich) genug Ehrgeiz und Selbstvertrauen entwickelt hatte, nun Schritt für Schritt Hürden zu überwinden um voranzukommen.
Viele andere Kinder waren wesentlich leichter zu "therapieren". Da reichte es oft, ihnen etwas mehr Zeit zu geben um bestimmte mathematische Grunderfahrungen und Grundwissen mit geeignetem Montessori Material nachzuholen und handelnd zu "begreifen". Begleitend dazu war uns wichtig ihr Selbstvertrauen zu stärken, sie zu motivieren und Freude und Interesse an Bildung zu wecken.